Geräte machen uns gefügig. Es gibt nur einen Ausweg: Wir müssen dafür sorgen, dass die Computer sich uns anpassen, schreibt unser Essayist.
Andererseits warnen apokalyptische Visionen davor, dass superintelligente Maschinen sich selbständig machen, die Herrschaft übernehmen und wir bestenfalls noch ein Sklavendasein fristen würden. Beide Szenarien sind entweder überspannt oder albern. Gibt es einen Weg zwischen ihnen hindurch?
Die Frage «Glaubst du an künstliche Intelligenz?» klingt in gewissen Techno-Kreisen schon fast wie «Glaubst du an Gott?». Und wie in der Religion gibt es auch hier Gläubige und Ungläubige.
Erstere glauben an die sogenannte Singularität. Damit ist ein Entwicklungsstadium der Maschinen gemeint, in dem deren Fähigkeiten jene des Menschen überholt haben werden und sich in einer Art von postbiologischer Evolution weiterentwickeln. Der Zeitpunkt des Eintretens diesen Stadiums wird von Gläubigen – nennen wir sie der Einfachheit halber Singularisten – auf Mitte bis Ende dieses Jahrhunderts geschätzt.
Verstiegene Prognosen zu «Superintelligenzen»
Die Ungläubigen: Das sind, nun ja, die Anti-Singularisten. Sie versuchen den Beweis zu führen, dass der Glaube an eine «echte» künstliche Intelligenz wie der Glaube an einen Gott Illusion sei. Die Desillusionierungsstrategie folgt dabei meist einem Standardkurs.
Künstliche Intelligenz – das sind bloss Computer, also Schaltkreise und Algorithmen. Und Computer sind Turingmaschinen, die Zeichen syntaktisch manipulieren. Aus Syntax allein entsteht keine Semantik, das heisst, Maschinen können nichts verstehen. Punkt. Siri versteht mich nicht, sondern tut nur so, als ob.
Singularisten verfügen durchaus über handfeste Argumente. Aber wie in allen Glaubenssystemen werden oft Fakten, Vermutungen und überzogene Analogien zu einer unwiderlegbaren Konstruktion verleimt. Zum Beispiel stellt das sogenannte Mooresche Gesetz fest, dass sich die Zahl der Transistoren in integrierten Schaltkreisen bis anhin etwa alle zwei Jahre verdoppelt hat: eine empirisch bestätigte Regularität, gewiss.
Die Singularisten machen aber aus ihr eine Devotionalie. Diese dient dazu, die verstiegensten Prognosen über mögliche «Superintelligenzen» mit gut- oder bösartigen Absichten aufzustellen. Aus der Mooreschen Regularität lässt sich durchaus eine stetig vergrösserte Rechenkapazität von Computern extrapolieren.
Computer übertreffen uns schon heute in Quantität und Geschwindigkeit der Datenverarbeitung. Aber ob, wie und inwieweit aus komplexen Schaltkreisen «Intelligenz», oder sogar «gute oder böse Absichten» entstehen können, ist eine bis heute nicht beantwortete Frage; eine Frage notabene, von der ohnehin nicht klar ist, ob sie so überhaupt richtig gestellt ist.
Das kümmert die Singularisten allerdings wenig, weil sie «im Prinzip» davon überzeugt sind, dass sich Maschinen ihrer selbst bewusst werden, selbst wenn sie dieses «Prinzip» nicht kennen – das ist der typische Habitus des Glaubens.
Auf der andern Seite müssen die Anti-Singularisten regelmässig zur Kenntnis nehmen, dass das vermeintlich Defizitäre der Maschine nun doch kein Defizit ist. So galt der Mensch lange als unschlagbar im Schach, bis die ersten Programme ihn besiegten; neuerdings im strategischen Brettspiel Go. Man darf mit einiger Wahrscheinlichkeit annehmen, dass noch weitere Fähigkeiten, die bisher als allein dem Menschen vorbehalten galten, künftig der Maschine zugesprochen werden können.
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